Ein Bericht von Frau Barbara Bläß:
Liebe Eisenbahnfreunde in Bad Schwartau,
ja, das Internet macht es möglich!
Beim Stöbern habe ich durch Zufall Ihre Home-Page gefunden und sie mit viel Interesse, Freude und Erinnerungen gelesen.
„Mein Stellwerk“ — kaum zu glauben, was dort heute so alles passiert!
Vor 56 Jahren – am 1.4.1965 begann ich meine Ausbildung zur Bundesbahnassistentin im mittleren Dienst.
Wir waren die ersten Mädchen der Direktion Hamburg, die direkt von der Schulbank diese Ausbildung antreten konnten.
In dieser Zeit eine kleine Sensation für den sonst so reinen „Männerberuf“,
Als gebürtige und ansässige Lübeckerin dachte ich, mein Ausbildungsbahnhof wäre dann auch Lübeck.
Doch angeblich hatte Lübeck keine getrennten Damentoiletten und so wurden wir zu dritt nach Bad Schwartau beordert!
Ein kleiner Schock für den damaligen Dienststellenleiter, zumal er schon 2 männliche Kollegen zur Ausbildung auf dem Bahnhof hatte.
Ja, und nun mischten für 2 Jahre drei 17-jährige Mädels den ganzen Bahnhof auf!
Sie können sich sicherlich die Gesichter der Kollegen vorstellen, wenn wir die einzelnen Abteilungen eines Bahnhofs laut Ausbildungsplan durchliefen.
Da war nicht nur die Fahrkartenausgabe, das Bahnhofsbüro oder die Expressgutabteilung vorgesehen, sondern auch die Güterabfertigung und eben auch die Einweisung in den Stellwerksbetrieb vorgesehen.
Viele Geschichten fallen mir dabei noch ein, viele sehr lustige, aber auch nachdenkliche. Mit der Gleichberechtigung taten sich die Herren damals etwas schwer und oft hatten wir das Gefühl, wir Mädels mussten um so Vieles besser sein, damit wir in unserer Ausbildung nicht mit einem Lächeln abgetan wurden.
Besonders allerdings, ist mir der erste Tag im Betriebsdienst hängen geblieben.
Wir zogen also zu dritt rüber ins Stellwerk und klingelten unten an der Tür. Nichts! Wir klingelten nochmals – ein Fenster oben öffnete sich und wir wurden mit einem:
„Was wollt ihr hier” begrüßt!
„Wir sind die neuen Auszubildenden und sollen uns bei ihnen melden!“ „Ich weiß nichts davon und Frauen kommen mir nicht auf mein Stellwerk, das bringt Unglück!“
– Das Fenster schloss sich mit einem Knall und das war es dann! Unser erster Eindruck war nicht so berauschend und uns blieb nichts anderes , übrig mit unserem Chef zu reden und es noch einmal zu versuchen.
Wir kamen also doch in „diese heiligen Hallen“, aber nicht bevor wir noch unsere Schuhe ausgezogen hatten,
Einlass nur mit Hausschuhen!
Der Boden aus Linoleum glänzte wie ein Spiegel, alles sehr geordnet, nirgends auch nur ein Krümelchen Staub war zu sehen!
Und mittendrin ein Stellwerksleiter, der wie ein Kapitän auf seiner Brücke die Geschicke seiner Bahn überwachte und regelte.
Ein harter Brocken, der jeden durchfahrenden Zug mit einem Gruß aus dem Fenster bedachte und prüfte, ob auch alle Schlusslichter vorhanden waren.
Also halfen wir mit den Boden zu pflegen, das Staubtuch war auch nicht weit, putzten jeden Regentropfen vom Fenster, vergaßen unsere Hausschuhe nicht und waren darauf bedacht ja nichts anzufassen, was man uns nicht erlaubte.
So verdienten wir unsere ersten Sporen, konnten Fragen stellen und das Bedienen der Bahnschranke war dann für uns die erste große Auszeichnung.
Niemals, wirklich niemals wurde ein Weichenhebel nur mit der bloßen Hand angefasst. Dafür lag immer ein Staubtuch in der Nähe, denn die Hebel wurden wie das Silber meiner Großmutter geputzt.
Ja, er war stolz auf seinen Beruf und auf sein Stellwerk und er war nicht wirklich so ganz der harte Brocken.
Im Nachtdienst fehlte immer mal der „Dritte Mann“ beim Skat. Meinem Vater und meinem Bruder ging es auch oft so und so lernte ich sehr früh mit ihnen Skat zu spielen.
Frau und Skat? Er konnte es nicht glauben. Tja, an so kleinen Dingen hängt es schon mal.
Ich bin gern dort oben gewesen und voller Bewunderung habe ich mir die Fotos Ihrer jahrelangen Arbeit angesehen.
Sn lebt wirklich noch!
Meine DB Ausbildung — oft verklärt sich im Laufe der Jahre einiges.
Die gute alte Zeit!?
Vieles ist einfacher geworden, vieles schneller, einiges besser und bequemer.
Und doch ist es einfach schön sich noch an die alten Dampfloks zu erinnern, die noch in Lübeck — Richtung Travemünde – eingesetzt worden sind wenn alle Welt im Sommer an den Strand wollte.
An die alten Wagen, wo jedes Abteil noch eine eigene Außentür hatte.
An die Gesichter, wenn ein Mädchen die kleine Köf mit den bestellten Güterwagen in die Schwartauer Werke rangierte, oder über die Gleise lief um den Bestand an Güterwagen einzutragen.
Bad Schwartau liegt heute weit weg für mich und doch wird es mir sehr nah sein, wenn ich Ihre HP lese.
Ein paar Fotos habe ich doch noch gefunden, Zwar nicht vom Stellwerk, aber Gruppenfotos von den Lehrgängen in der Bundesbahnschule in Buchholz/Nordheide, die sie für die Webseite verwenden können.
Auch einige Fotos von den Betriebsfeiern mit den Kollegen. Das aber sind private Fotos, die bitte nicht auf die HP dürfen, weil ich keine Einverständniserklärungen dafür habe. Aber ihr Kollege Gert Thalau erinnert sich vielleicht an die eine oder andere Person.
Sie dürfen sie behalten, wenn sie möchten und ebenfalls den Ausbildungsplan und das Anschreiben.
Nun hoffe ich, dass dieses Anschreiben nicht zu ausführlich war.
Ihrem Hobby und „meinem Stellwerk“ wünsche ich viel Erfolg, neue Mitglieder und eine baldige Öffnung wieder ohne Corona.
Und wir Mühlheimer sind natürlich auch nicht ohne einen Eisenbahnclub.
Zu finden unter www.mibaclub.de -mein Sohn, Martin Bläß, ist u.a. für die HP zuständig.
Auf einer BSW Tagung lernte mein Sohn Herrn Thalau kennen, der sich noch an uns Mädchen erinnern konnte. Die Welt ist eben doch klein!
Sollten sie noch Fragen haben werde ich versuchen sie gerne noch zu beantworten.
Es grüßt Sie alle recht herzlich und ich bin froh, dass ich mich getraut habe, mich bei Ihnen zu melden und ein wenig beitragen konnte, Ihre Chronik zu erweitern.
Barbara Bläß, geb. Freiwald
Vielen, vielen Dank für Ihre authentischen Zeilen zu der Arbeit damals im Stellwerk!
Das ist ein kleines Stück Eisenbahngeschichte!